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Kurz & schmerzlos (Juli – September 2020) – CD-Besprechungen in aller Kürze

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Kürzlich ist mir aufgefallen, dass in Popsongs immer häufiger gelacht wird. Kein lautes Lachen, sondern eher nebensächlich. Zu finden in Songs von TAYLOR SWIFT („This is why we can’t have nice things“), JENNIFER LOPEZ („Jenny from the block“), JUSTIN TIMBERLAKE („Señorita“) und zahlreichen weiteren Popsternchen. Als ob der Produzent beim Abmischen das Ausblenden einer Tonspur vergessen hat. Doch welche Absicht verfolgen die KünstlerInnen mit dieser inszenierten Lockerheit? Und seit wann gibt es diese subtile Fröhlichkeit eigentlich im Musikbusiness? Ist sie möglicherweise saisonal bedingt? Wird also häufiger in fröhlichen Sommer- als in melancholischen Wintersongs gelacht? Gibt es dieses Phänomen tatsächlich nur in Popsongs? Wer ein wenig recherchiert, findet eine wahnsinnige Lache bereits Anfang der Siebziger in „Speak to me“ auf PINK FLOYDs „Dark side of the moon“ – wer hätte das auf einem Klassiker der Rockmusik vermutet. Doch PINK FLOYD sind da keineswegs alleine. Nicht weniger wahnsinnig lacht Henry Rollins in einem seiner bekanntesten Songs, „Liar“, während Billie Joe in „Christian’s inferno“ von GREEN DAY eine ziemlich hämische Lache aufsetzt. Und wer kennt nicht auch den Klassiker „Der lachende Vagabund“, der noch ein paar Jahrzente weiter in der Vergangenheit liegt. Womit wir also geklärt hätten, dass das Lachen in der Musik weder nur im Pop vorkommt, noch eine sonderlich neue Erfindung ist. Ob BEYONCÉ, KESHA und BRITNEY SPEARS im Tonstudio nun wirklich mehr Spaß haben als andere Künstler oder ob möglicherweise eine Background-Lacherin die Spuren beruflich einlachen musste, konnten wir bislang leider nicht einwandfrei klären. Aber es wäre doch gelacht, wenn wir dies nicht noch ermitteln können…

ASAF AVIDAN – Anagnorisis (Label: Embassy of Music, VÖ: 11.09.2020)
(so) ASAF AVIDAN ist in die italienische Einöde gezogen, um sein neues Album aufzunehmen. Bestimmt schön dort. Die Weite und die Stille haben ihn die Musik neu entdecken lassen. Herausgekommen ist ein Konglomerat aus DAVID BOWIE („Earth Odyssey“) und postmodernem Hiphop („Rock of Lazarus“) oder auch Gospel („No words“). Irgendwie interessant, aber irgendwie auch anstrengend ist das, wenn ASAF AVIDANs Geschichte eine unvorhersehbare Wendung (Anagnorisis) nimmt. (5)
https://www.asafavidanmusic.com/

BLADED – The ballad of the hammer and the nail (Label: Crispin Glover Records, VÖ: 28.08.2020)
(so) Ja, man kann die Stimme von Anita Kaasbøll als „unverwechselbar“ bezeichnen. Aber, wie ich finde, auch als auf Dauer extrem nervig und anstrengend (dieses Wort verfolgt mich bei diesen k&s aber auch…). Schwingt sie sich doch in Höhen, die durchaus in der Lage sind, im Ohr zu schmerzen. Musikalisch ist das sonst recht ansprechend, ein bisschen jazzy und laid back, kunstvoller Indie oder Indie mit Kunstmusik gemischt. Die Betonung liegt dabei wieder einmal auf Kunst und macht das Album etwas schwerer hörbar, etwas unnahbarer und fremd. Man merkt dennoch, dass hier echte Künstler am Werk sind. Und mindestens „The white choice“ ist ein echter Hinhörer. (5)
https://www.facebook.com/bladedmusic/

BLAUFUCHS – „Ein Teil von uns“ (Eigenvertrieb)
(bc) BLAUFUCHS spielen hymnischen, melodischen Punkrock, der vor allem durch ausgefeiltes Songwriting und durchdachte Texte zu überzeugen weiß. Wenn ich spontan Vergleiche aus dem Hut zaubern müsste, würden vermutlich Namen wie ZSK (zumindest deren ruhigere Stücke) oder DIE TOTEN HOSEN fallen, allerdings ohne Glitzer oder Konfetti-Kanonen. Denn für solche Sperenzien wirken die Hildesheimer viel zu bodenständig, trotz einer gewissen poppigen Note haftet ihren Liedern eher ein erfrischender AJZ-Charme an. Das sich mit Flüchtenden solidarisierende Stück „Wo du herkommst“ ist meiner Meinung nach der Hit dieser bereits vor längerer Zeit erschienenen EP, doch auch die Songs „Kein Licht“ und „Paris“ wissen zu gefallen. Lediglich das eher zum Alternative-Rock tendierende „Bilder“ vermag bei mir nicht auf Anhieb zu zünden, schmälert im Endeffekt aber keineswegs den positiven Gesamteindruck, den BLAUFUCHS hier hinterlassen. (7)
https://www.facebook.com/BlaufuchsBand/

CIRCUS ELECTRIC – s/t (Label: Eigenregie, VÖ: 21.08.2020)
(jg) CIRCUS ELECTRIC treten den Beweis an, dass man auch mit einer Produktion im eigenen Studio und ohne Label im Rücken etwas erreichen kann. Denn im nächsten Jahr dürfen sie, soweit Corona ihnen da keinen Strich durch die Rechnung macht, die großen DEEP PURPLE auf ihren Open Air-Konzerten supporten. Da passen die drei Berliner perfekt hin, transportieren sie auf dem unbetitelten Debüt den guten alten Rock & Roll in die Neuzeit. Knarziger Bluerock mit ordentlich Hammond-Orgel und ab und an einer fuzzigen Gitarre – das groovt durchaus! Ich höre hier Bands wie THE WEIGHT oder auch die BLACK CROWES heraus, das Bandinfo wiederum vergleicht sie mit RIVAL SONS und ROYAL BLOOD. Mir persönlich etwas zu altbacken, aber das ist natürlich Geschmackssache. (6,5)
https://www.facebook.com/circuselectricofficial/

DIE DIE BE – Secrecy through public disbelief (Label: Eigenregie, VÖ: Juli 2020)
(so) Sehr experimentell, teils auch sehr anstrengend und fordernd ist „Secrecy through public disbelief“ von DIE DIE BE aus der Schweiz. Eine düstere Gesamtatmosphäre schwebt über diesem Album, wird aber stets durchbrochen von seltsam, vermeintlich unpassenden Passagen, die die Songs zerreißen und neu zusammensetzen. Schließlich muss man auch zwei Mal sterben, um wirklich sein zu können, so die Aussage der Band. Dies geht auch ihren Songs in Teilen so, hauchen sie doch teilweise bereits ihr Leben aus, nur, um in der nächsten Sekunde zu neuer Kraft und neuem Leben zu erwachen. Abgefahren, seltsam, irgendwie spannend, aber eben auch anstrengend. (5,5)
https://www.facebook.com/bediediebe

HELLINGER – „Alles auf Anfang“ (Label: Optical Records, VÖ 18.09.2020)
(bc) „Rockmusik für Erwachsene“ verspricht das Infoblatt. Nun ja. Ein bisschen jugendlicher Esprit hätte diesem Album jedoch sicherlich auch nicht geschadet, denn „Alles auf Anfang“ wirkt über weite Strecken doch ziemlich zäh. Stellenweise klingt das Ganze ungefähr so, als hätte sich Jan Plewka mit einem Hardrock-Gitarristen zusammen getan, um gemeinsam den Achtziger Jahren nachzutrauern. Vielleicht gehöre ich aber auch einfach nicht zur Zielgruppe. (4)
https://www.facebook.com/pages/category/Artist/Hellinger-114703610232336/

HVALFUGL – Øjeblikke vi husker (Label: Hvalfugl Music, VÖ: 25.09.2020)
(jg) Zu Beginn des Albums machen HVALFUGL alles richtig: verträumter Jazz mit nordischen Folk-Elementen, dazu klingen ein dezentes Piano, schwebende Gitarrenklänge und eine Trompete, die an NILS WÜLKER denken lässt. Ja, das schafft Atmosphäre, auch wenn die im Mittelpunkt stehende Trompete nur von einem Gastmusiker beigesteuert wurde. Diese zeitlos scheinenden Momente fangen sie in den folgenden Stücken auch in ihrer eigentlichen Dreier-Besetzung (Gitarre, Klavier/Harmonium, Kontrabass) oder zusammen mit anderen Gastmusikern am Cello oder Schlagzeug adäquat ein. Doch je länger das Album geht, umso akademischer klingt es und verliert in diesen Momenten leider die Gefühlsebene aus dem Blick. Da werden die anfänglichen Träumereien manchmal zu endlosem Gitarrengedudel. Was sehr schade ist – weil sie es besser können, wie die Dänen es anfangs beweisen. (5)
https://www.facebook.com/hvalfugl.dk/

IT´S ALIE – „Lilith“ (Label: Rock Of Angels Records, VÖ 18.09.2020)
(bc) Aus Italien erwischt uns hier die volle Achtziger Jahre Hardrock-Breitseite. Lehrbuchmäßig wird auf „Lilith“ die komplette Bandbreite zwischen Oldschool-Riffing und Power-Ballade abgeklappert, wobei stets die kraftvolle, für meinen Geschmack allerdings etwas zu schrille Stimme von Frontfrau Giorgia Colleluori im Mittelpunkt steht. Keine Ahnung, ob der Begriff „Rockröhre“ heutzutage noch en vogue ist, aber hier wäre er durchaus angebracht… Spandexhosen-Sound, mit dem ich persönlich nicht viel anfangen kann. (4)
https://www.facebook.com/itsalieband/

JIM ISEMAN III – Viduity (Label: Eigenregie, VÖ: 03.07.2020)
(so) „Unraveling“ ist ein Stück, das sich in jeder Gothic-Disko gut machen dürfte, mit der Hymnenhaftigkeit von LACRIMOSA oder DEINE LAKAIEN ausgezeichnet, tanzbar, ein bisschen schon in Richtung Ambient / Trance changierend. Mit den drei weiteren Songs auf „Viduity“ macht sich JIM ISEMAN III auf die Reise durch die Genres, legt Zwischenstopps beim Radiopop und im Songwriter-Viertel ein. Es gelingt ihm dennoch, mit allen Songs auf eine andere Art für sich zu gewinnen. Ein breites Spektrum, das er abdeckt und mit dem er umgehen kann. Sicherlich kulminierend im letzten Track „Home“. (7)
https://www.jimiseman.com/

KRIEF – Chemical trance (Label: popup, VÖ: 14.08.2020)
(so) Es beginnt recht psychedelisch, lässt an PINK FLOYD, aber auch die Melancholie eines LEONARD COHEN denken, dieses „Chemical trance“. Treibend, kraftvoll, lauernd. „I love you just the same“ lässt wiederum, wie auch einige Titel später, die BEATLES zu Wort kommen, so könnten sie heute vielleicht klingen. Das ganze Album hat etwas von einer Reise durch Raum und Zeit, vielleicht mit dem einen oder anderen Drogencocktail zwischendurch. KRIEF lässt nichts aus, kein Gitarrensolo, keine Keyboardwand, keinen getupften Gesang. Wenn es dann ausklingt, ist man entweder wieder positiv gestimmt, zumindest aber hat man seinen Frieden mit sich, dem Leben und KRIEF gemacht. (6,5)
http://www.krief.ca/

MAGICK TOUCH – „Heads have got to Rock´n´Roll” (Label: Edge Circle Productions, VÖ 10.07.2020)
(bc) Auch MAGICK TOUCH haben sich dem Hardrock verschrieben, klingen dabei jedoch ein wenig introvertierter als beispielsweise die oben erwähnten IT´S ALIE. Stilistisch passen die Norweger eher in die Siebziger Jahre und somit in Ära von Bands wie THIN LIZZY oder JUDAS PRIEST. Wer so tapfer die Retro-Fahne hochhält, dem sei sogar das peinliche Guillotinen-Artwork verziehen. (5,5)
https://de-de.facebook.com/magicktouch/

MASSIVE WAGONS – House of noise (Label: Earache / Edel, VÖ: 17.07.2020)
(jg) Metalrezensionen findet man bei Blueprint insgesamt ja eher selten, seitdem die Kollegen Schaab und Metalmatze nicht mehr für unser wertes Magazin schreiben. Und im Grunde haben MASSIVE WAGONS mit Metal auch nur bedingt zu tun, selbst wenn sie ihre mittlerweile sechste Platte erneut auf Earache veröffentlichen. Vielmehr klingen die fünf Briten wie eine Kreuzung aus DEF LEPPARD, MILLENCOLIN und AC/DC. Wenn in Kneipen wie dem Lehmitz und dem Lunacy nach der Corona-Zeit irgendwann wieder richtig gerockt werden kann, würde ich zu später Stunde vielleicht sogar meine Faust nach oben reißen. Aber zu Hause klingt mir das insgesamt doch zu schunkelig-rockig und zu sehr nach Haarspray. (4)
https://www.facebook.com/MassiveWagons

SILIUS – „Worship to extinction“ (Label: Rock Of Angels Records, VÖ 28.08.2020)
(bc) Hier geht’s sofort von 0 auf 100. SILIUS fackeln nicht lange, sondern kloppen den Hörer*Innen auf „Worship to extinction“ von der ersten Sekunde an messerscharfe Thrash-Metal-Riffs auf die Ohren. Das brachte ihnen bereits Support-Shows für Bands wie SOULFLY oder BIOHAZARD ein und brachte sie auf die Bühnen namhafter Festivals wie dem Wacken Open Air oder den Metal Days in Slowenien. Die Österreicher passen zwar nicht unbedingt in mein Beuteschema, aber selbst auf mich wirkt die Energie dieses Albums irgendwie ansteckend. (6)
http://www.facebook.com/siliusband

TUYS – A curtain call for dreamers (Label: popup, VÖ: 18.09.2020)
(so) Sehr psychedelisch kommen die Herren von TUYS aus Luxemburg daher. Versponnen-verspielte Songs treiben durch das Meer des Sounds, machen dabei Strecke durch die Beats, verzetteln sich aber allzu häufig in Synthie-Teppichen. Drücken sie mal aufs Gaspedal, wird es direkt noch verrückter und fast beunruhigender, wie etwa bei „Ketchup on my own knees“. Ich habe einfach das Gefühl, dass mir diese Musik zu modern ist, oder vielleicht auch nur zu besonders sein möchte. Bis ins Herz bohrt sie sich bei mir jedenfalls nicht, kann aber auch an meiner inneren Kälte liegen. Denn sie haben ja bereits vor MANDO DIAO oder THE KOOKS gespielt. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg, wenn auch ohne mich. (4)
https://www.facebook.com/2007tuys/

WAS ZE ESSEN – „Wutburger“ (Eigenvertrieb, VÖ 01.08.2020)
(bc) An anderer Stelle haben wir gerade erst den „Zusammen durchbrechen wir alle Mauern“-Sampler vom Johnny Raw Bandsupport-Projekt vorgestellt. Auf diesem wären rückblickend betrachtet auch WAS ZE ESSEN sehr gut aufgehoben gewesen, denn sowohl was ihre musikalische, als auch ihre ideologische Ausrichtung betrifft, würde das Ganze wie Arsch auf Eimer passen. Auf ihrer EP „Wutburger“ liefert die Truppe aus Sachsen nämlich DIY-Deutschpunk mit klaren politischen und gesellschaftskritischen Aussagen ab. So geht es in den Texten beispielsweise um Selbstausbeutung durch Lohnarbeit oder den Konsum von Billigfleisch, und selbstverständlich kriegen auch „besorgte Bürger“ und sonstige rechtspopulistische Arschgeigen ihr Fett weg. Wer weiß, vielleicht treffen wir die Jungs dann ja auf dem hoffentlich irgendwann erscheinenden zweiten Teil der oben erwähnten Compilation wieder… (6)
https://www.facebook.com/waszeessen/

WHOISWELANSKI – Talk (Label: popup, VÖ: 18.09.2020)
(so) Schon wieder schwierige Musik. Dieses Mal aus Deutschland, wenn auch Bandname und Albumtitel etwas anderes vermuten lassen. Hier wird mit Autotune und Verzerrer veritabler Lärm erzeugt, der plötzlich in süß-triefendes Popgeflirre verfällt. Hinzu kommen Textzeilen wie: „Sie lag die Nächte neben ihm / es fehlt ihm alles, was gestern noch da war / und mit ihr fortging“. Tiefgründig, oder? Meine Sache ist dieser auf Teufel komm raus verkünstelte Mischmasch einfach nichts, spätestens nach dem dritten Song geht mir Autotune dermaßen auf die Nerven, dass ich mich nicht mehr auf die Musik konzentrieren kann. Beim Bayerischen Rundfunk waren sie schon mal Band der Woche. Vielleicht kommt das in einer Chillout-Lounge richtig gut, wer weiß? Ich nicht. (2,5)
https://whoiswelanski.com/