WINTERSLEEP – Welcome to the night sky

Nein, Indie ist nicht tot, er riecht noch nicht mal komisch. Okay, die großen Innovationen finden zur Zeit nicht statt, aber es bewegt sich doch etwas. Zum Beispiel: WINTERSLEEP. Mit ihrem dritten Album „Welcome to the night sky“ gelingt ihnen das Kunststück, viele wichtige Zutaten aus Subgenres zu einem leckeren Ganzen zusammenzufügen. Es hat die Melancholie der EDITORS, die Tiefe von INTERPOL, die Erhabenheit von DEATH CAB FOR CUTIES, den Hang zur Melodie von JIMMY EAT WORLD, den Drive früher Werke von R.E.M., die Geduld des Postrocks, Stimmungen aufzubauen, Songs sich entwickeln zu lassen. Ja, „Welcome to the night sky“ ist besser als die letzten Alben all der eben genannten Platzhirsche, weil es WINTERSLEEP gelingt, aus den gepickten Rosinen eine eigene Handschrift zu entwickeln. „Drunk on aluminium“ wildert im Revier der EDITORS, ohne in deren Theatralik zu verfallen, im Pathos zu ersaufen, bzw. von DCFC, ohne deren Hang zur Verkopfung. Großartig! „Archaeologist“ schafft tatsächlich die Verbeugung vor JEW und R.E.M., ohne in Ehrfurcht zu erstarren, und „Dead letter & the infinite yes“ ist die beste Indieballade seit „Valentine“. „Search party“ steht dem kaum nach, womit das Thema Ballade im Grunde auch schon abgehakt ist. Der Trend zum Folk und zu afrikanischen Einflüssen spiegelt sich dezent im fluffigen „Weighty ghost“ wieder. Gerockt wird natürlich auch. „Oblivion“ wird seinen Weg in die Alternativdiscos finden und „Astronaut“ lässt ahnen, wie R.E.M. klingen könnten, würden sie heute debütieren. Auch der zur Zeit allgegenwärtige Gevatter Postrock findet Einzug in das Songwriting von WINTERSLEEP. Ob das auf den Einfluss ihres Produzenten Tony Doogan, der u.a. schon mit MOGWAI zusammengearbeitet hat, zurückzuführen ist? Egal, denn wie die Band sich in Songs wie „Murder“, „Laser beams“ oder „Miasmal smoke & the yellow bellied freaks“ lange, sich kontinuierlich aufbauende Instrumentalintros von 2 ½ – 4 Minuten Länge gönnt, nur um dann alle Instrumente einzufangen und sie strikt dem Song unterordnen, ist einfach nur klasse. So könnte die Zukunft mancher Postrockband aussehen! Doch zurück zu WINTERSLEEP, denen ein Album in allerbester Indie-Tradition gelungen ist, ohne sich irgendwo anzubiedern, ohne dem Innovationszwang zu verfallen. Nein, mit „Welcome to the night sky“ sitzen sie mitten drin, sind voll dabei, und wenn der Indiegott gerecht ist, dürfen sei bald in den Tempelbereich einziehen.