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RUE ROYALE – Remedies ahead

Man hat beim neuen Album von RUE ROYALE fast den Eindruck, als seien die sonstigen Aktivitäten ihres Labels Sinnbus nicht spurlos an ihnen vorbeigezogen. Nach zwei recht melancholischen, leicht folkigen Indie-Pop-Alben (ihr zweites Album, "Guide to an escape" erschien genau genommen erst als Re-Release auf Sinnbus, vorher vermarkteten sich die beiden ohne Label selbst) erhält auf "Remedies ahead" erstmals Elektronik Einzug in das musikalische Treiben des Paars. Verglichen mit den beiden vorherigen Alben fällt ihr neues Werk auch wesentlich kühler und ernster aus. Im Grunde genommen also ein markanter Einschnitt, denn bisher passte ihre Musik immer wie maßgeschneidert auf ihre Außenwirkung. Wer Ruth und Brookln Dekker (die beiden sind nicht nur musikalisch ein Paar) zum Beispiel nach einem ihrer Konzerte am Merchandise kennengelernt hat, wird sicherlich auch die ruhige und herzliche Art der beiden wahrgenommen haben. Genauso funktionierten auch ihre Songs, die zwar stets eine gewisse Melancholie ausstrahlten, aber gleichzeitig eine wohlige Wärme zu vermitteln wussten. Perfekte Musik für ungemütliche Herbstabende, wenn man sich bei schlechtem Wetter mit einem heißen Kakao vor dem heimeligen Kamin in eine Wolldecke einmummelt. Dazu passte die spärliche Instrumentierung, die meist aus einer Akustikgitarre und wahlweise einem Piano, Glockenspiel oder minimalen Percussions bestand. Im Vordergrund standen sowieso immer die Melodien und die Stimmen der beiden, die sich so perfekt ergänzen.
Das erste Hören von "Remedies ahead" ließ mich tatsächlich ein wenig ernüchtert zurück. Wo ist die Wärme, wo sind die eingängigen Gesangsmelodien geblieben? Auch nach mehreren Hördurchgängen blieb nichts haften, die Songs fingen zwar an zu gefallen, aber Hooklines waren noch nicht auszumachen. Vielleicht war es ein Fehler, die Produktion erstmals in eine dritte Hand zu geben, lebte man bisher das DIY-Motto doch perfekt vor.
Danach wurde ihr Album von anderen CDs abgelöst und konnte sich, sozusagen, etwas setzen. Und ganz plötzlich fiel mir auf, wie ich einzelne Melodien vor mich her summte, die ich zunächst nicht zuordnen konnte, bis mir auffiel, dass sie von der neuen RUE ROYALE stammten. Das Album also mit etwas Abstand noch mal betrachtet, gefällt es mir inzwischen nicht weniger als die beiden Vorgänger. Auf einmal waren auch die zu Beginn vermissten Hooklines da, und mit der Zeit verschwand auch das Gefühl der Kühle. Einen ähnlichen Effekt konnte ich damals auch bei WEEZERs "Pinkerton" und der "Guilt show" von den GET UP KIDS beobachten: zwar zündet das Album nicht sofort, die Langzeitwirkung entfaltet sich später aber umso mehr.