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100 KILO HERZ – Stadt Land Flucht

In unserem Interview antwortete 100 KILO HERZ-Frontmann Rodi auf die Frage, was das neue Album von seinem Vorgänger unterscheide, dass es „erwachsener“ sei. Wurden auf „Weit weg von Zuhause“ noch überwiegend Geschichten aus der Vergangenheit aufgearbeitet, so seien die Leipziger mit „Stadt Land Flucht“ inzwischen in der Gegenwart angelangt. Diese Aussage bringt das Gefühl, dass ich beim Hören des Albums zwar ebenfalls hatte, aber bis dahin nicht so richtig einordnen konnte, eigentlich ganz gut auf den Punkt. Denn obwohl „Stadt Land Flucht“ mit „Drei Jahre ausgebrannt“, „Das ist ein Ende“ oder „An Ampeln“ eine wieder ganze Reihe typischer Bläser-Punk-Kracher enthält, wie man sie von der Art her bereits ausgiebig auf dem Debüt serviert bekam, stößt man bei genauerem Hinhören auch auf die eine oder andere neue Facette. So wirken die Texte beispielsweise nachdenklicher, sei es bei persönlichen Themen wie in „Der Späti an der Klinik“, oder etwa dem kritischen Umgang mit übermäßigen Alkoholkonsum („Tresenfrist“) oder vom Gruppenzwang geprägten Partyverhalten („…und aus den Boxen …But Alive“). Nichtsdestotrotz zeigen die Jungs in Liedern wie „Drei vor Fünf vor Zwölf“ oder „Scheren fressen“ selbstverständlich immer noch klar und unversöhnlich Flagge gegen Rechts, was angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen in letzter Zeit wichtiger denn je ist. In musikalischer Hinsicht stechen derweil vor allem die Lieder „Träume (Reprise)“ und „Sowas wie ein Testament“ hervor, in denen 100 KILO HERZ für ihre Verhältnisse ungewohnt ruhige Töne anschlagen. Somit kann man tatsächlich von einer Weiterentwicklung sprechen, wenngleich der Vorgänger „Weit weg von Zuhause“ aus meiner Sicht noch ein bis zwei Hits mehr zu bieten hatte. So oder so wird es spannend sein, den weiteren Werdegang dieser Band zu beobachten.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.